Cunty, Camp und Cowboyhüte

Pablo Brooks ist der queere Popstar, den wir gerade brauchen. In seiner neuen Single Number One Girl stellt er das unter Beweis. Der Song erzählt davon, seine Ex-Situationship zufällig in einer Bar wiederzutreffen. (Dass es sich dabei leider um einen straighten Mann handelt, ist ein Thema, dass sich so in mehreren von Pablos Songs wiederfindet – an seinem Männergeschmack muss er wohl noch feilen, aber wo die Liebe eben hinfällt.)

Text: Joline Weniger

Foto: Béla König

Dem Wiedersehen begegnet er mit gemischten Gefühlen. Ausweichen kann er der Anziehung immer noch nicht, also bittet er ihn hinein. Manchmal muss man einfach Chaos verursachen und Dinge „für den Plot“ machen. Wenn nicht slam drunk mit Anfang 20, wann dann?

Um Travis, einem ziemlichen Frauenschwarm, zu gefallen, ist ihm kein Mittel zu schade.

            Heads turn when you arrive. You look like all the boys all of the girls would love.

Also macht Pablo alles, um das Number One Girl für Travis zu werden, FlicFlacs, Handstand, Verkleidungen, you name it.

Unter dem durchweg ironischen und frechen Ton, mit dem das beschrieben wird, versteckt sich aber eine zweite Ebene, die einen beinahe verzweifelten Pablo zeigt. Um Travis herumzubekommen, ist Pablo bereit, fast alles zu tun. Sich dabei zu verstellen, nimmt er in Kauf.

            I look like all the girls I know that you would love

Er fordert Travis heraus, sich die Anziehung endlich einzugestehen, und kratzt dabei ganz schön an seinem Ego.

Sich selbst zu verraten, um zu gefallen, ist keine neue Idee. In One Of Your Girls erzählt Troye Sivan vom gleichen Schmerz des Nicht-Genug-Seins und von ähnlichen verzweifelten Versuchen, jemanden trotzdem von sich zu überzeugen.

Pablos Geschichte endet zum Glück anders.

Im Musikvideo sehen wir, dass seine Strategie tatsächlich funktioniert. Doch als Travis sich zum Kuss herunterbeugt, stößt Pablo ihn überraschend weg. Er entscheidet sich gegen Travis und damit gegen eine Beziehung mit einem Menschen, der mit seiner eigenen potenziellen Queerness hadert. Stattdessen kehrt er auf die Tanzfläche zu seinen Freund:innen zurück und feiert.  So formt auch der treibende Sound einen krassen Gegensatz zu den‒eigentlich eher deprimierenden‒Lyrics.

Eingehüllt wird das alles in eine Americana-Ästhetik, die an Tumblr-Hochzeiten von 2014 mit Lana Del Rey erinnert und zuletzt von Chappell Roan wiederbelebt wurde, Cowboystiefel, Line Dance und Fake-Akzent inklusive. Das Musikvideo ist genau so glitzrig und campy. Travis hat am Ende einen besonderen Moment mit dem Shirt, der mit der untergelegten Musik beinahe an den Stil von Phoebe Waller-Bridges Fleabag erinnert. Pablo schafft einen Song, der das Gefühl von Anfang-Zwanzig-Sein perfekt einfängt­ und zelebriert ‒ ein bisschen chaotisch, manchmal ganz schön nervenaufreibend, aber immer voller Leichtigkeit. In einer Gesellschaft, wo uns schon von Kindheit an in praktisch allen Medien eingetrichtert wird, dass monogame romantische Liebe das Nonplusultra ist, wählt Pablo sich selbst und seine Freundschaften.

Der Typ will eben nichts von dir, so what? Das ist noch lange kein Grund, mit dem Tanzen aufzuhören.

Foto: Béla König

2 Kommentare zu „Cunty, Camp und Cowboyhüte

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