Sonnenschein aus verstaubten Boxen

Die neue Single „Same Again“ (VÖ: 15.05.2020, Kleio Records) der Indie-Rock-Band „Please Madame“ reißt die innere Gefühlswelt in zwei Teile und wird zugleich mit einer großen Portion Sonnenschein und facettenreichem Songwriting gefüttert. Als Vorgeschmack des im Herbst erscheinenden Album tischt das Salzburger Quartett groß auf.

Erstes Hören. Schnell beginnt der Gesang und launische Melodien steigen mit ein. Wie gemacht für Sommerabende mit den besten Freunden und gekühltem Bier im Gepäck. Ausgelassene Stimmen dröhnen durch die leergefegten Straßen, als die Straßenlaternen wieder ausgehen und die Sonne sich vor den müden Augen räkelt.

Zweites Hören. Besonders bleibt das „I will let you go“ stecken, das vom einen ins andere Ohr wandert und unterbewusst für Gänsehaut sorgt. Als Fortsetzung der Zeile „I’d rather let you go“ ist es ein Abschied und die Einsicht, dass die in dem Song beschriebene Beziehung bereits an die Wand gefahren worden ist. Die rosarote Brille ist verrutscht und Zweifel überschatten die Gedanken.

Mit dem Refrain wird der Song wieder lauter, irgendwann steigen noch mehr Stimmen in das überfüllte Soundkonzept mit ein. Könnte auch ein Song für ausgiebige Spaziergänge mit einem stolzen Dalmatiner sein, der ungeduldig an der Leine zerrt. Aber man hat ja alle Zeit der Welt und schlendert gerne gelassen an ausgelaugten Joggern vorbei. Ein Nachmittag ohne Termine und Verpflichtungen, dafür aber mit zu viel Zeit zum Nachdenken.

Drittes Hören. So langsam kommt der Text bei mir an – „When Love is missing someone all the time / Then hate is having someone constantly around“. Was sich dahinter verbirgt, wage ich zu dem Zeitpunkt noch nicht ganz zu begreifen. Stelle mir nur verschlossene Fenster und vorgezogene Vorhänge als Flucht aus der Realität vor. Der Handybildschirm ergraut im Flugmodus, auf der Stirn bilden sich erste Falten. Verschließen vor allen Kontakten, aus Angst vor Ablehnung und sozialen Verlusten. So fühlt es sich wohl an, langsam auch innerlich erwachsen zu werden.

Es scheint um Frustration und Langeweile zu gehen. Man hat sich auseinandergelebt. Ständig das gleiche Gemecker, ständig die gleiche Routine. Das ist doch langweilig. Da muss doch mehr gehen. Für mich steht die Zeile für die Charaktereigenschaften, die man an dem Partner in der Beziehung vermisst und die sich mit der Zeit immer mehr ans Licht drängeln.

Irgendwie bleibt der Text in meinen Gedanken stecken und wenige Tage später erfahre ich dann, was Sänger und Gitarrist der Band Dominik Wendl dazu denkt:

„Für mich ist diese Zeile sehr tragend für den Song. Es geht darum, dass es oft Beziehungen zwischen Menschen gibt, die miteinander nicht wirklich können und ohne einander aber eben so wenig.“

Ich habe aufgehört zu zählen, wie oft der Song gelaufen ist. Irgendwo habe ich den Namen „Please Madame“ schon in einer meiner Playlisten gesehen – aber mit einem komplett anderen Sound. Die neue Single klingt erfrischend, aber auch gleichzeitig so, als würde sie seit Jahren unter den Fingernägeln der Salzburger Band kratzen. Die fröhliche Stimmung und die euphorischen Melodien kramen Sonnenschein und gute Laune aus verstaubten Boxen.

„Der Song fungiert für mich zumindest als Momentaufnahme. Wir spielen oft damit, dass wir schwere Themen vielleicht ‚fröhlicher‘ verpacken – es muss ja nicht immer alles kongruent verlaufen, es ist schön, wenn mal die Eindeutigkeit aufgehoben wird.“

Aber hinter der Leichtigkeit und den verspielten Gitarren verstecken sich dunkle Schatten. Verbitterung, Frustration und das Gefühl, nicht mehr weiter zu wissen. Hier stockt es. Wie kann das sein, wenn früher alles immer so schön war? Wenn früher alles so leicht war? „Same Again“ will gerne an dieser Hoffnung festklammern. Dass alles wieder gut wird, irgendwann. Aber früher oder später ist der Geduldsfaden gerissen und vielleicht ist es zu dem Zeitpunkt einfach besser, einzusehen, dass es vorbei ist.

Einzusehen, dass aus einem Ganzen zwei Hälften geworden sind – wie man auch super schick im dazu erschienenen Musikvideo sehen kann. Zwischen halbierten Tassen, Fahrrädern und Instrumenten ist auch das eigene Herz halbiert worden – gebrochen unter dem Zwang, sich in einer Beziehung nicht verändern zu können. Wie oft hört man den Spruch „Bleib so wie du bist“ – aber was ist, wenn man nicht mehr mit dem zufrieden ist, wie man ist? Wenn der Kopf nach Veränderung schreit und das Herz sich aus alten Mustern befreien will? „We will never be the same, same again.“

Zwischen verschieden liebevoll konstruierten Stillleben stockt im Musikvideo auf einmal die halbierte Platte mitten im Song und die einsame Zurückgezogenheit von Dominik wird ergänzt durch die anderen Bandkollegen, die sich genauso unbeweglich und emotionslos zeigen. In der Schlussszene ist schließlich sogar das Haus halbiert – und Dominik gießt friedlich die Pflanzen auf dem Grundstück. Großartig gemacht und große Empfelung!

Die neue Single ist Befreiungsschlag und tiefe Sehnsucht zugleich. Innerer Konflikt wird wehleidig offen ausgetragen und dabei in betont fröhlichen Melodien ertränkt. Der Gegensatz zwischen dem übermütigen Klangteppich aus Gitarren, Bass und Schlagzeug, dem dynamisch herausstechenden Gesang und dem einschneidenden Thema stimmt nachdenklich.

Wie oft dieser innere Konflikt wohl verloren worden ist, aus Angst vor Veränderung und aus Angst vor dem Alleine-sein? Aber Please Madame zeigen in „Same Again“ einen Weg aus der Zwickmühle heraus. Weisen eine Richtung, in der die Sonne trotzdem noch aufgeht, obwohl Verluste eingesteckt werden mussten.

„Dieses Gefühl, dass man sich vermisst, aber auch hasst wenn man dann zusammen ist, sollte man versuchen hinter sich zu lassen. Ich glaub halt, dass so niemand glücklich sein kann. Auch wenn es schwer ist, sich das selbst einzugestehen.“

Beitragsbild: Please Madame (c) Arne Müseler

„Angry Boys, Angry Girls“-Tour 2020:
05.11. – Stadtwerkstatt, Linz
06.11. – WUK, Wien
07.11. – ppc, Graz
14.11. – Carinisaal, Lustenau
15.11. – PMK, Innsbruck
16.11. – Hafenkneipe, Zürich (CH)
17.11. – Kulturladen, Konstanz (D)
19.11. – Abdera, Biberach (D)
25.11. – Kulturfabrik Löseke, Hildesheim (D)
26.11. – Tresohr Session, Oberhausen (D)
27.11. – Utopiastadt, Wuppertal(D)
28.11. – LUX, Hannover (D)
29.11. – Tsunami, Köln (D)
02.12. – Badehaus, Berlin (D)
03.12. – Astra Stube, Hamburg (D)
04.12. – Umbaubar, Oldenburg (D)
05.12. – Folks Club, München (D)
19.12. – Rockhouse, Salzburg