Mit „Happyland“ hat das Indie-Rock Trio „das blühende leben“ mich Ende März abgeholt und seitdem nicht mehr losgelassen. Vor ein paar Monaten schrieb ich über den Song folgendes:
Tupoka Ogette ist Trainerin und Beraterin für Rassismuskritik und Antirassismus im deutschsprachigen Raum. In ihrem Buch „EXIT RACISM“ nimmt sie mit auf eine rassismuskritische Reise, um die Entstehung, Strukturen und Wirkungsweisen von Rassismus in Deutschland zu verstehen.
Die Mannheimer Band „das blühende leben“ hat das Auseinandersetzen mit dem Hörbuch zu „EXIT RACISM“ in ihrer neuen Single „Happyland“ verarbeitet.
Als „Happyland“ bezeichnet Ogette den Zustand weißer Menschen vor dem bewussten und aktiven Beschäftigen mit Rassismus. In Happyland sei Rassismus enorm moralisch aufgeladen und in die schlechte, rechte Ecke gerückt. Abgesehen davon habe Rassismus in dem Selbstverständnis der Bewohner*innen keinen Platz. Happyland ist bequem, schreit nach heiler Welt und rechtfertigt vor allem, sich nicht weitergehend mit Rassismus auseinandersetzen zu müssen. Die Bewohner*innen Happylands seien überzeugte Nicht-Rassisten und gehen davon aus, dass Rassismus heutzutage in Deutschland kein großes Problem mehr sei. Aber die gute Nachricht – Happyland kann auch verlassen werden, Schritt für Schritt. Sich mit dem Buch und den eigenen Privilegien auseinanderzusetzen ist ein Schritt davon. Für all diejenigen, die noch nie Bewohner*innen sein durften. Ogette sagt: „Wir alle können nichts für die Welt, in die wir hineingeboren wurden. Aber jede und jeder kann Verantwortung übernehmen und diese Welt mitgestalten.“
„das blühende leben“ versuchen nicht, sich zu rechtfertigen, geschweige denn ihren Nicht-Rassismus anzupreisen. Gestehen sich vielmehr das Leben in Happyland ein und reflektieren diesen Zustand. Wollen sich mit dem Song nicht aus der Verantwortung nehmen, sondern selber auch zum Nachdenken anregen:
„[„Happyland“] hält die Gedanken des Moments fest, an dem einem auffällt, dass man sich falsch verhält und es Zeit ist Themen neu zu denken. So hat es sich für uns angefühlt.“
Alle Einnahmen des Songs werden an das Antidiskriminierungsbüro Mannheims gespendet.
Das reichte mir aber nicht – und so saßen wir ein paar Wochen später zusammen im Hinterhof der Göttinger Nörgelbuffs zwischen Häuserfassaden und Garagentoren auf dem Boden. Wir hatten einen kurzen Zeitslot zwischen Soundcheck und Konzertbeginn, wurden unterbrochen durch Kirchenglocken und konnten nicht einmal annähernd alle Gedanken festhalten. Deswegen ist aus einem langen Talk über die Bedeutung hinter den Songs, Vorangehensweise beim Songwriting und ziemlich viel abschweifendes Geplauder dabei ein kurzer Talk entstanden. Jonathan, Josh und Tim reden zwar nicht über „Happyland“, dafür aber über „normal“ – ein Song, den ich auch sehr spannend finde. Aber hört einfach mal rein:
Nachdem Tim und ich über das Gespräch hinweg immer öfter Blicke gewechselt haben, dass es jetzt mal an der Zeit ist, sich für die Show fertig zu machen, musste ich das schöne Gespräch leider unterbrechen. Aber zum Glück konnte so bald die Show starten. Ohne Vorband, nicht viel los, aber trotzdem – oder vielleicht gerade deswegen – aufgeladen mit einer Energie, die ich mir für so manch ausverkaufte Arenen wünschen würde. Wir werfen uns zu viert in kleine, aber dafür umso lebhaftere Moshpits. Der Keller ist so klein, dass es fast schon wie ein Privatkonzert wirkt, für die grinsenden Gesichter, die sich auf den Weg gemacht haben, diese bemerkenswerte Band zu supporten.
Einladen und Falafeldöner später war’s dann fast beschlossene Sache. Da wir das Gespräch nicht beenden konnten und der nächste Tourstopp gar nicht mal so weit weg war, würde ich am nächsten Tag mich der Reisegruppe DBL anschließen und mit nach Braunschweig zum Supportgig für Van Holzen fahren. Gesagt, getan – gut zehn Stunden später ließen wir Göttingen hinter uns und mit unveröffentlichten Tracks übers Autoradio in Richtung Braunschweig.
Bis bald!