21. Februar 2020, Molotow Hamburg, Late Night Show mit Drens. Vorher Depri Disko und veganes Falafel in abgelegenen Gassen. Hamburg sprüht vor Euphorie, auf den Straßen rollen die E-Scooter und die Leuchtreklamen blinken heller als die Sterne. Stunde für Stunde füllt sich der beliebte Club mit leidenschaftlichen Tänzern und lachenden Betrunkenen und auch der Karate Keller, in dem die heutigen Helden des Abends auftreten werden, ist vollgepumpt mit begeisterten Tänzern und lauten Bässen. Für mich ist das heute Premiere im Molotow und fast verirren wir uns in der Vielzahl an verschachtelten Gängen.
Die Tänzer verschwinden nicht, als Drens um kurz vor eins die Bühne betreten. Eine Vorband gibt es nicht, die Menge ist durch die Party auch schon ausreichend aufgewärmt. Das Grinsen der Dortmunder ist wie ins Gesicht getackert und die roten Badehosen sitzen perfekt. Ein Hund mit wütenden Augenbrauen schmückt die kleine Bühne: „Den hat uns unser Tourmanager geschenkt!“
Das Publikum ist betrunken vom Rausch der Depri Disko, nach dem ersten Song – der neuen Single „Saditsfiction“ – wird direkt nach „Bicyle Rider“ gefordert. Das Set ist lauter und beherrschender als ich es in Erinnerung habe, aber vielleicht auch nur, weil der Keller in bunten Farben verschwimmt und die Atmosphäre um ein Vielfaches aufgeladener ist, als bei den letzten Gigs von Drens, die ich erlebt habe. Und weil sie hier Hauptband sind und sich knapp 40 Minuten lang vor dem richtigen Publikum austoben können.
Die Bühne ist viel zu klein für die vier Musiker und ihre Instrumente, weshalb Fabian den ein oder anderen Abstecher ins Publikum macht und mit den Besuchern auf Tuchfühlung geht. Joel hingegen rennt, seine Gitarre wild umherschwenkend, förmlich immer wieder in die Menge. Ohne Rücksicht auf Verluste.
Drens bringen gute Laune und Sommer in Pappbechern mit, die Welt bleibt keine Sekunde stehen und dreht sich wie verrückt weiter. Die bunte Mischung aus Indie mit einer energiegeladenen Portion Surf-Punk findet Anklang und wirbelt bald in den ersten Moshpits das Publikum durcheinander. Durch den ganzen Raum zieht sich der Pit, reißt standhafte Mit-dem-Fuß-Wipper und euphorische Fans gleichermaßen mit. Ist laut und schmerzhaft, lässt schreiende Körper gegen betrunkene prallen. Die knapp 30 Besucher haben es schon lange aufgegeben, vernünftig zu tanzen. Der Keller ist viel zu heiß dafür und die Stimmung zu euphorisch.
Im Gepäck haben die Dortmunder 13 Songs, darunter auch meinen persönlichen Sommer-Hit „Curacao“. Blinzelnde Sonnen drehen sich, das kalte Meerwasser umspült die großen Zehen und Urlaub liegt in der Luft. Laute Klänge gehen Hand in Hand mit leisen Träumen, füllen den ganzen Raum aus und dringen durch die Decke. Die Pilotenbrille aufgesetzt und die Arme ausgestreckt. Weit weg von Leistungsdruck, rein in die Freiheit. Nach dem draufgängerischem Song „Heat“ legen Drens eine kurze Verschnaufpause ein, um ihren Merch anzukündigen. Mit dabei natürlich die knallig rote Badehose, in die die Musiker zu jedem Auftritt schlüpfen.
„Are you really travelling or just starring at your phone?“
Einen Song und einige Drinks später folgt dann endlich der langersehnte „Bicycle Rider“, der mit viel Applaus begrüßt und von Drens mit „Hamburg fährt gerne Rad!“ kommentiert wird. Fehlt nur noch ein Stagedive unter der niedrigen Decke, aber als Fabian die Menge vor die Wahl stellt, wird sich fast einstimmig eine Wall Of Death gewünscht – die einbricht wie eine tosender Sturm. Publikum und Band fusionieren miteinander, wirbeln durcheinander und lachen übereinander. Springen verrückt umher, ignorieren die Müdigkeit und vergessen ihr Umfeld für eine erleichternde Ewigkeit.
Auch Ansagen und Dankeschöns kommen nicht zu kurz, als Fabian „Best Friend“ ankündigt mit einer Danksagung an Zuschauer, die bis aus Bielefeld angereist sind. „Einmal bitte einen Applaus, der nächste Song ist für euch!“ Die Strophe beginnt ganz harmlos, explodiert dann wenige Sekunden später im Refrain und endet mit zuckenden Schultern und Mundwinkeln. Drens können ablenken und auch aus der Einsamkeit eine fröhliche Hymne machen.
„I wanna be your best friend, I don’t wanna be alone again.“
Für die Dortmunder Band ist das der zweite Gig im Molotow, erzählt Fabian später. Froh darüber, dass das Publikum die Band so gut aufnehme, packen sie den nächsten sonnigen Song aus und drehen noch einmal ordentlich alle Regler hoch. Und zwischen Spiegelei-Socken und bunten Shirts findet sich auch Platz für traurige Geschichten, die von der fröhlichen Musik überspielt, aber nicht ignoriert werden.
Mein Highlight ist dann schließlich die Zugabe nach der eigentlichen Zugabe, als das Publikum trotzdem noch nicht genug hat und weiter nach „One Last Song“ fordert und ein letztes Mal „Bicycle Rider“ bekommt. Als Joel, der sich irgendwann vor lauter Hitze am Schlagzeug das Shirt ausgezogen hatte und nun wieder nach vorne ans Mikrofon muss, sich beim Publikum entschuldigt – „Da hinten hatte ich so viel Privatsphäre und jetzt müsst ihr mich alle nackt sehen.“ und das alles innerhalb der letzten Minuten egal wird, als der Keller zum Finale hin komplett auf den Kopf gestellt wird.
Beitragsbild: Drens (c) Leonie Scheufler