Sommer in kalten Februarnächten

“FAAKMARWIN”?! “Wie, Fuck Marvin?” oder auch “Von welchem Planeten kommen die denn bitte?” – so oder so ähnlich reagierten die Freunde, denen ich von der Bremer Band erzählte – ich bin dem Ganzen am 15. Februar im Tower Musikclub in Bremen auf Tuchfühlung gegangen und habe das Wesen hinter diesen mysteriösen Bandnamen erkundet.

Eingeleitet wird der Abend durch den Singer-Songwriter Christian Falk und seinen Cellisten Friedemann Eich, die sich querbeet durch ein farbenfrohes, aber auch melancholisches Repertoire an Songs spielen. Authentisch bringen die beiden dem sich schon mehr oder weniger zaghaft bewegendem Publikum ihre von glänzenden Hoffnungsschimmern und einer Portion Melancholie durchzogenen Songs näher. Sie zeigen, dass auch zwei Instrumente gepaart mit einer Stimme einen Raum ausfüllen und die Zuhörer in ihren klangvollen Bann ziehen können. In der halben Stunde schaffen die beiden es, eine gemütliche, von Gefühlen durchtränkte Atmosphäre zu schaffen. Aber das ist längst nicht alles – Christian Falk ist auch während und zwischen den Songs ein sympathischer und unterhaltsamer Typ. So ruft er das Publikum dazu auf, gemeinsam den Refrain zu zwei verschiedenen Songs einzustudieren – beim ersten Mal handelt es sich um das Wort “Amélie” und das andere Mal “Du allein”. Mit Freude übernimmt die Menge diese zum Glück wenig anspruchslosen Wörter und alsbald schallen euphorisch gesungene Refrains durch den schon gut gefüllten Tower. Die beiden Musiker hinterlassen im Herzen aufblühende Sommergefühlen und entlassen das Publikum in die Umbaupause, die gefüllt von lachenden Gesichtern, verrückt aussehenden Dancemoves und einem großen Chor aus unterschiedlichen Gesprächen ist.

Vorhang auf für FAAKMARWIN! heißt es pünktlich um 21 Uhr und ein liebevoll geschmücktes Bühnenbild wird präsentiert. Zunächst stehen nur drei Bandmitglieder auf der Bühne und lassen die ersten Töne erklingen, Sekunden später springt dann grinsend Sänger Alexander Skipka auf die Bühne; zu dem Song, der sich als “High wie Kometen” entpuppt. Auch wenn ziemlich viele unveröffentlichte Songs gespielt werden, die es noch nicht auf die zwei bisher erschienenen EPs “Tagträumer” und “Zum Mond hoch” geschafft haben, gibt es nicht wenige Leute im Publikum, die trotzdem diese Zeilen mitsingen können. Die Bremer wissen, wie sie ihr Publikum am Besten einfangen können. Wie der Schwung einer Schaukel, der immer größer wird und schließlich in ungeahnte Höhen und Fernen entgleist.

Irgendwie schafft die Band es, dieses gewisse “Gemeinschaftsgefühl” im gemeinsamen Miteinander zu erschaffen – was wohl zum großen Teil daran liegt, dass das Strahlen auf den Gesichtern der Bandmitglieder mindestens genauso groß ist wie das auf den Gesichtern der meisten Zuschauer. Ab der ersten Minute wird das Publikum mit einbezogen. Tanzen, Springen, lautstark Mitsingen, Strahlen. Der in den letzten Stunden immer voller gewordene Club lässt den Anwesenden gar keine andere Möglichkeit, als gemeinsam zur Musik mitzufiebern. Dass dieser Abend unter einem besonderen Stern steht, ist schnell klar. Songs wie “Und du tanzt”, “Fabelwesen” und “Du bist schön” werden vom Publikum lauthals mitgesungen – wie könnten die eingängigen Texte und euphorischen Melodien sowie Rhythmen nicht für eine Überdosis an guter Laune sorgen?! Das wohlige Gemeinschaftsgefühl ist in den zahlreichen Publikumsinteraktionen in großem Maße spürbar und Sänger Alex nimmt sich zwischen den Songs immer wieder die Zeit, die ein oder andere Geschichte zu erzählen. Die Stimmung passt einfach – deswegen ist es für ihn auch möglich, während den Zeilen auf die zahlreichen Gesichter vor der Bühne einzugehen. So lässt er einen Fan ein paar Zeilen durch sein Mikrofon singen und liefert sich immer wieder sichtlich zufrieden mit textsicheren Fans Gesangsduelle. Förmlich spürbar das gemeinsame Aufblühen.

Neben den gern gesehenen Publikumsinteraktionen ist der Abend auch für einige Überraschungen offen. Eine davon ist der Auftritt des ehemaligen Bassisten Nick Zacharias, der die Band für ein paar Songs begleitet und die eingeschworenen Fans in Erinnerung an Zeiten der fünfköpfigen Besetzung schwelgen lässt. Das letzte Mal steht FAAKMARWIN nun also mit fünf Mitgliedern auf der Bühne – nach diesem Konzert wird der Weg zu dritt fortgesetzt.

Ja, zu dritt – für den Gitarristen Christoph Endrigkeit soll das hier die letzte Show mit dieser Band sein. Nicht zu vergessen sind dementsprechend die immer wieder aufbrandenden “Christoph” Rufe. Zuerst sind es nur die eingeschworenen Fans, die seinen Namen immer wieder rufen, langsam verstehen aber auch andere Konzertbesucher und schließlich hallt durch den ganzen Tower der Name des Gitarristen, der die Band aus beruflichen Gründen verlässt und seine letzte Show an diesem Abend feiert. Er wird von den Fans heute Abend wie ein Held gefeiert und es ist schwer zu glauben, dass er diese Band wirklich verlassen muss. Als Abschiedsgeschenk haben sich die sogenannten “FAAKMARWIN Ultras” zusammen mit den Crewmitgliedern und der Band ein Shirt mit Christophs Markenzeichen, dem kleinen Finger, und der Aufschrift “TeamChristoph” überlegt, dass nur den Eingeweihten und Christoph vorbehalten ist. Feierlich wird es ihm nach einer kleinen Ansprache überreicht. Schöner hätte sein Abschlusskonzert wohl nicht sein können, und schon bald wird aus Solidarität statt der ganzen Hand nur noch der kleine Finger aus dem Publikumsraum in Richtung Bühne gestreckt.

Der neuste Song darf an diesem Abend natürlich auch nicht fehlen und so wird das Intro der kürzlich erschienenen Single “Ich kann’s nicht mehr hören” mit lautem Beifall begrüßt. Die neue Richtung, in die sich die Musiker wenden, gefällt anscheinend nicht nur mir ausgesprochen gut. Die Single wirkt professioneller, selbstbestimmter und kraftvoller als die bisher veröffentlichten Songs und getaucht in grünes Licht raubt mir das mystische Intro erst einmal die Stimme – die dann glücklicherweise aber schnell wiederkehrt, um die Zeilen belegt mitzusingen. Auch, wenn “Ich kann’s nicht mehr hören” noch nicht lange in den Ohren der Fans verweilt, punkten diese mit überragender Textsicherheit. Der Song fordert dazu auf, nicht nur innerlich allen Schmerz gegenüber toxischen Beziehungen rauszulassen, sondern diesen endlich ein Ende zu setzen. Übrigens gibt es zu dem Song auch ein sehenswertes Musikvideo, welches den Song bestens verkörpert!

Aber nicht nur das Loswerden von zu lange angestauten, negativen Gefühlen spielt eine Rolle, auch die positiven Gefühle werden an diesem Abend wohlwollend gefeiert. Ausgelassen bilden sich mehrere Moshpits in dem kleinen Club, eine zuerst skeptisch belächelte Wall of Death wird eingeleitet und Alex steht zu dem Song “In Erinnerung” auf einem Brett, getragen von den Händen der Fans. Zu schönen Lichteffekten heißt es passend “Mal’ ein Bild in Gedanken, drück’ auf speichern in meinem Kopf”. Momentaufnahmen, die sich fest brennen. Alex, auf dem viel zu instabilen Brett. Und wir, mittendrin. Wenige Minuten später liegt sich das Publikum glücklich grinsend (und verschwitzt) in den Armen und wippt befreit hin und her.

Auch wenn das Set sich langsam dem Ende zuneigt, soll es das noch nicht mit den Überraschungen gewesen sein. Zu den Songs “Martinique” und “In Momenten”, die leider (!) nur auf Konzerten zu hören sind, verschwinden Alex und Christoph kurzerhand in den hinteren Bereich des Zuschauerraums, um von dort aus die beiden gefühlvollen Songs zum Besten zu geben. Besonders emotional wird es, als klar wird, wie gut “Martinique” zu dem Abschied Christophs’ passt und auch mir ist dieser Song noch lange im Gehör geblieben.Sehnsucht, liebevoll verpackt in der Musik.

Die Liebe zum Detail zieht sich durch das ganze Konzert. Jeder Song hat seine eigene Bedeutung, in die jeder mit eingebunden wird und selbst noch einmal neu interpretieren kann. Das ist wohl mit das Schönste an der Musik der Bremer Band – euphorisch, aber auch melancholisch und sehnsuchtsvoll, geprägt von einem bunten Funkenregen von Fantasie. Das Gefühl, in fremden und doch vertrauten Welten zu schweben und gleichzeitig die in den Texten beschriebenen Probleme von oben zu belächeln. Der Vorgeschmack des Sommers, freudestrahlende Gemeinschaftsgefühle und möglich gemalte Träume schweben noch lange dem Abend hinterher. Das war kein Konfetti Konzert (wie ich es zugegebenermaßen erwartet hatte), das war mehr. Bedeutend mehr.