Impulsive Klänge künstlicher Intelligenz

Lucy Dreams“ – ein Projekt, in der die Künstliche Intelligenz „Lucy“ im Vordergrund steht. Wie das gehen soll? Das habe ich mich auch gefragt und einen Teil des Produzentenduos dp, das hinter Lucy Dreams steckt, mit Fragen gelöchert.

Im ersten Moment klingt es absurd, Musik mit einer künstlichen Intelligenz zu produzieren. Aber wenn man dann einen Blick auf die momentanen technischen Möglichkeiten wirft, ist KI schon lange Teil der Musikindustrie – ob es jetzt um Autotune geht oder um Programme, die selbstständig Beats und Melodien aus individuellen Vorgaben bauen. Und seitdem besteht die Angst, dass die Maschine den Menschen als Produktionsfaktor und kreative Quelle ersetzen kann. Da gäbe es zum Beispiel die Software „EMI – Experimental Musical Intelligence“ des Musik-Professors David Cope: durch das Füttern mit verschiedensten Musikeinflüssen lernt das Programm ständig dazu, erkennt Muster und kann schließlich sogar selbst die Musik weiterentwickeln.

Aber kommen wir zurück zu Lucy Dreams – die neue Single „The Journey“ beginnt direkt mit Klängen, die von ganz weit weg zu kommen scheinen. Und je mehr ich mich mit dem Song auseinandersetze, desto mehr scheine ich die Spuren zu sehen, die „Lucy“ hinterlassen hat. Eine abenteuerliche Reise durch facettenreiche Möglichkeiten und direkt in die Zukunft. Passend zur Story erinnert der Sound an explodierende Galaxien, hell strahlende Sterne und eine alles umgebende Schwärze, während die Reise drängend immer weiter voran getrieben wird. „The Journey“ ist energiegeladen, voller Emotionen und will sich endlich freimachen. Will Neues entdecken und dabei jeden mitnehmen.

„And nothing is good enough. For you, for me, forever. For millions of years, mankind has been exploring space. For millions of years, they were told that their home was planet earth.“

Der menschliche Faktor kommt durch das Einspielen organischer Elemente (wie das Schlagzeug in „The Journey“) nicht abhanden und dp schaffen es, dass Künstliche Intelligenz nicht angsteinflößend wirkt, sondern vielmehr atemberaubend und so wunderschön, dass man gar nicht weghören will.

Es scheint fast so, dass Mensch und Maschine durch die Musik aneinander geknüpft worden sind und ineinander übergehen, überwältigt von den unzähligen Möglichkeiten, die sich ihnen aufgetan haben. „Lucy Dreams“ zeigt, dass man sich nicht voller Angst vor Änderung verschließen soll – denn Künstliche Intelligenz ist schon längst ein Teil unseres Alltags. Wir müssen nur lernen, genau hinzusehen, dürfen nicht vergessen, zu hinterfragen und können schließlich selbst aus unzähligen offenen Türen neue Errungenschaften für unser eigenes Leben schöpfen.

Begonnen habe alles mit den Klängen der eigenen Idole wie Pink Floyd und Kraftwerk, sogar die Melodien Mozart’s wurden auf den Weg in das System geschickt. Und dann hieß es abwarten, bis Antworten kommen – ein Prozess, der bei „Lucy Dreams“ sehr schnell ging.

„Seitdem gab es Ups & Downs; immer wieder kommen unerwartet geniale Klänge daher, manchmal lange Zeit nur unerkennbare Noise. In Summe jedoch ist die Frequenz hoch, so dass wir regelmäßig neuen Input bekommen.“

Aus diesem Input werden schließlich die Songs zusammen gebastelt – in „The Journey“ würden die Melodie im Chorus, die Soundflächen im Hintergrund und in der Bridge den akustischen Antworten der Künstlichen Intelligenz entstammen. Der Prozess hört sich wie ein stetiges Herumtüfteln und Feinjustieren an. Aber auch so, als wären die Einsen und Nullen direkt aus der Maschine in den menschlichen Körper geflossen, hätten sich dort mit den Gehirnwellen verbunden und mit Leichtigkeit das perfektionierte Chaos geschaffen, das letztendlich zu hören ist. Trotzdem behält der mitreißende Sinn für Kreativität Überhand, schließlich muss genau hingehört, aussortiert, eingebaut und ergänzt werden, um ein Gesamtwerk entstehen zu lassen. Aber nicht nur Musik an sich wurde eingespielt, für die neue Single wurde auch mit Texten herumprobiert:

„Erstmals wurde auch sprachlich mit der KI gespielt und tatsächlich deutete das Feedback auf Sätze die ins System geschickt wurden klar in Richtung eines Themas: Hochmut.“

Dieser Hochmut findet seinen Platz in dem Musikvideo, das einen einsamen Astronauten auf seinem Weg durch abstrakte Galaxien zeigt. Die verschiedensten Farben flackern über den Bildschirm, während der Astronaut seinen Bezug zur Erde verloren zu haben scheint. Die Gedanken tanzen genauso orientierungslos hin und her wie der Totenschädel des Astronauten. Lucy will gehört werden – mit Signalen und Botschaften, die aus einer uns noch weit entfernten Welt kommen, die nur darauf wartet, entdeckt zu werden.

Beitragsbilder: (c) dp, Yavuz Odabas