Detailverliebter Ausflug in die 80er

Herzlich willkommen zur „traenenschau“ am 01. Juni 1986 – in dem neuen Video zu „Vermissen“ nimmt die Bonner Band PBSL mit in die damalige Fernsehlandschaft. Der Track erschien bereits auf dem Debüt-Album „Trophen Traenen“ und wird durch das Video noch einmal ganz anders interpretiert. In den verschiedensten Szenen denken die fünf Musiker zurück an vergangene Zeiten und verblassende Erinnerungen. Ganz harmlos beginnt es mit Sänger und Gitarrist Lukas Harth, der einen Hund auf einem Rollbrett durch den Flur fährt und schließlich vor seinen Bandkollegen zum Halten kommt, die allesamt in pastellfarbende Outfits gekleidet sind. Aufgetischt werden Kartoffelsalat und Würstchen, während die ganze Band geordnet und brav auf dem Sofa sitzt. Ein sittenhaftes Leben, das man sich heutzutage so nicht mehr vorstellen kann – mit einem Sound im Hintergrund, der alles andere als langweilig und steif ist.

Bis zur Perfektion sind die einzelnen Gesten einstudiert, das Musikvideo wirkt eher wie eine aufwendige Produktion als wie der Low-Budget-Dreh, der dahinter steckt – tatsächlich kam die Band mit nur 150 Euro aus. Auch, wenn das Video mit einer Länge von fünf Minuten und 36 Sekunden definitiv länger ist als der Durchschnitt aller Musikvideos, verspürt man aufgrund der sich ständig wechselnden und überraschend kreativ gestalteten Szenen keine Sekunde das Verlangen, wegzuschalten – und erwacht mit dem Ende aus einem kleinen Traum, in den das Video mitreißen konnte.

Mindestens genauso kreativ wie das Video ist dann auch der Song selbst – ein facettenreicher Aufbau spielt sich durch verschiedenste Harmonien und wird dabei von durchdachten Lyrics begleitet. PBSL trotzen dem Mainstream-Stigmata, das dem Pop so gerne auferlegt wird und zeigen mit Bravour, dass sowohl Songwriting als dann auch die Umsetzung im Video auch anders geht.

Der Sound macht gute Laune, steckt an mit hymnenhaften Refrains – und überrascht dann schließlich mit einer Überleitung zu einem langen Outro, das funky dank mitreißender Melodien an längst in Vergessenheit geratene Musik aus den 80er Jahren erinnert. Der Rückblick auf wertvolle Momentaufnahmen und aufploppende Erinnerungen auf dem kleinen Handybildschirm wird vertont durch Musik, zu der man singen, lachen und frei sein will.

„Ich vermisse die Kleinigkeiten, die mich immer so faszinieren. Ich vermisse die Peinlichkeiten, die uns immer so amüsieren.“

Entgegen der melancholischen Thematik wird im Video ordentlich gegen das Skript getanzt, mit Konfetti umhergewirbelt und das Set auf den Kopf gestellt – stets dabei sind die farbenfrohen Outfits der Darsteller, die in dem Layout eines Fernsehbildschirms gefangen sind. So skurril das Ganze auch dargestellt ist, umso faszinierender ist es, den aufwändigen Dreh mitzuverfolgen.

Mit aufwändigen Kostümen stellen Jan Teichmann, Patrick Pickart, Timo Gierse, Lukas Harth und Nils Solscheid auch den bekannten Fernsehauftritt mit „Ton Steine Scherben“ Mitglied Nikel Pallat detailgetreu nach und treten damit buchstäblich mit der Axt durch den Tisch. Damals als eine Anklage gegen den Kapitalismus in der Musik verwendet, wird die Szene hier weitergespielt und ergänzt durch Lukas, der dem Publikum in einer billigen Werbung versucht, einen der damals beliebten Röhrenfernseher anzudrehen.

Und so sind bunte Clownfisch-Luftballons, sehnsuchtsvolle Zeilen und ein kommunistischer Diktator nur wenige der Highlights, die es in dem grandiosen Video zu sehen gibt – überzeugt euch selbst!

Beitragsbild: PBSL (c) PBSL