Orientalisch klingende Instrumente, eine rauchige Stimme, vier selbstsicher grinsende Bandmitglieder, kombiniert mit einer Prise Erfindergabe und fertig ist AnnenMayKantereit. Dazu noch sinnfreie, aber dennoch bedeutungsvolle Texte und der Hang zur Verspieltheit. Doch das ist noch nicht alles! Was sich hinter Schlagschatten, einer Weißen Wand, aber zur Enttäuschung meiner Freundin leider nicht hinter klugen Sätzen verbirgt, zeigen die vier Kölner am Mittwoch, dem 13. Februar 2019 im Kulturzentrum Schlachthof Bremens, mit der vielversprechenden Alli Neumann im Gepäck.
Bekannt geworden durch ihre Rolle in dem Spielfilm “Wach” und dann schließlich durch ihre erste EP “Hohes Fieber” handelt es sich bei Alli Neumann nun keineswegs um eine ausgereiftere Version der Alli Kapseln. Obwohl – ihre Fans würden bestimmt darüber streiten, ob sie nicht vielleicht auch Wunder wirken kann. Ich bin der Überzeugung, dass sie es durchaus noch zu so einer Wirkung bringen könnte, denn Newcomerin Alli nutzt ihre kratzige Stimme nicht für verwaschenen Pop, sondern will mit ihrem Alternative Pop ein Zeichen in der deutschen Musikindustrie setzten. Das fanden AnnenMayKantereit sympatisch und auch das Publikum lässt ihre sich vom Einheitsbrei abspaltende Musik nicht kalt. So jemanden wie Alli erwartet man nicht, aber trotzdem schafft sie es mit ein paar gewieften Hürdensprüngen locker auf der Bühne stehend ihre Message zu verbreiten. Mit Herz und Verstand prüft sie das Publikum auf deren Tanzbarkeit und präsentiert ein energiegeladenes und euphorisches halbstündiges Set. Fröhlich, dankbar und gelassen hinterlässt sie einen wohltuend gesalzenen und aufmüpfigen Geschmack.
Aus den Boxen plänkelt Wohlfühlmusik und immer mehr Fans kommen aus der Deckung des Eingangsbereich und der Bar hervor. Was mir sofort aufgefallen ist, sind die vielen verschiedenen Gesichter, die allesamt der Bühne erwartungsvoll entgegen lächeln, die alle Altersklassen vertreten. In den Rängen hüpfen Kinder vorfreudig auf und ab, die älteren Generationen nehmen da Platz, wo die Sicht gerade noch gut genug ist und eine Vielzahl Jugendlicher tummeln sich im Innenraum. Ob jung oder alt, alle haben sie eins gemeinsam – verbunden durch ihre Liebe zur Musik und zu den Jungs von AnnenMayKantereit.
Gegen 21 Uhr stehen die vier Kölner dann unter lautem Applaus auf der Bühne – und starten ihre Show getaucht in warmes Licht ganz simpel mit den auf das Minimum reduzierten einleitenden Tönen zu dem „Schlagschatten“-Opener “Marie”. Es scheint, als würde jeder in der Kesselhalle den Atem anhalten, bis dann Henning Mays Stimme ertönt. Immer wieder etwas Besonderes und durchaus fähig dazu, auch noch bis in die letzte Ecke unzählige Gefühle zu transportieren. Aber AnnenMayKantereit besteht glücklicherweise nicht nur aus “Wunderkind” Henning May, die anderen Bandmitglieder Christopher Annen an der Gitarre, Severin Kantereit am Schlagzeug und Malte Huck am Bass bringen die Bühne zum Leuchten. Auch der Freund der Band, Ferdinand Schwarz, ist an der Trompete zu hören und unterstützt die Band gelungen bei Songs wie ”Jenny Jenny”, Nicht nichts”, “Alle Fragen” und “Sieben Jahre”.
2011 als Straßenmusiker angefangen und seit 2014 durch Malte Huck unterstützt, stehen die Vier und Ferdinand Schwarz nun strahlend vor einem ebenso strahlenden Publikum. Wenn die Jungs sich zusammen setzten und Musik machen, entsteht eine beinahe magische Atmosphäre, die sich mit geschlossenen Augen und geöffnetem Herzen am Besten genießen lässt. AnnenMayKantereit wirken an diesem Abend wie Seelenflicker und es entsteht der Eindruck, als könnten die vier Kölner mit nur wenigen Liedern alles Unheil aus den Fenstern der Welt vertreiben. Als würde nur der warme, durch einen Kamin geheizte Raum einer für anderthalb Stunden geschaffenen Scheinwelt existieren, in dem man sich geborgen in eine warme Decke einkuschelt und der Musik lauschend alles um sich herum vergessen darf. Bei Liedern wie “Nur wegen dir”, “Du bist anders”, “Sieben Jahre” und “Schon krass” schaltet sich die Welt wie von selbst aus und Wogen der Wärme und Angekommen-seins strömen durch den ganzen Körper – als wäre diese Musik der viel zu lang vermisste Kaffee, der endlich wieder konsumiert werden kann und seine Wirkung direkt im Körper entfacht. Sehnsuchtsvoll mit einer großen Portion Gefühle und Emotionen spielen sich die vier Kölner durch ein ungefähr 90 minütiges Set, versinken in wabernden Wellen von Bedeutungslosigkeit und tauchen zusammen in vielversprechende Paralleluniversen ein. Zusammen wird sich nach Panama gesehnt und gewünscht, länger zu bleiben. Für “Barfuß am Klavier” wird es heimelig warm in der spärlich beleuchteten kleinen Halle und die Zeile “Sowas kriegst du aus dem Herzen nicht mehr raus” ist schließlich wohl die beste Zusammenfassung des gemeinsamen Abends.
Auch wenn AnnenMayKantereit nicht die aufregendste, nicht die spannungsvollste und auch nicht die energiegeladenste Bühnenshow hinlegen, schaffen sie es mit simplen Showelementen und einer großen Portion Gefühl die Konzertbesucher für sich zu gewinnen und ihre ganz eigene Atmosphäre zu schaffen. Es ist nicht notwendig, dass man sich für eine gute Stimmung verausgabt und durchdreht. Die Konzertbesucher singen aber trotzdem tatkrätig mit, besonders zu Klassikern wie “Pocahontas” und “21, 22, 23.”.
Nach “Pocahontas” verlässt die Band die Bühne, wird aber durch aufbrandende Zugabe-Rufe wieder zurück gelockt – diesmal finden sich die Jungs aber nicht wie erwartet auf der Hauptbühne ein, sondern begeben sich nach hinten auf die Tribünen hinter dem FOH. Gemeinsam geben die vier den Song “Ozean” zum Besten, in dem besonders der Refrain, in dem alle vier Bandmitglieder gleichzeitig verschieden arrangiert noch einmal ausdrucksstarke Gefühle in ihre Stimmen legen, einige Anwesenden zu Tränen rührt. Sowas kriegt man wahrlich aus dem Herzen nicht mehr raus – es ist schon magisch, wenn eine Band es auch vor 1000 Leuten schafft, eine gemeinsame, zur Stimmung passende Atmosphäre und ein Wir-Gefühl zu schaffen, das jeden persönlich mit einbindet und auf die eigene Art und Weise berührt. Hätten nur noch die Rosenblätter gefehlt, die anmutig von der Decke segeln.
Schließlich endet das Konzert mit dem, dank dem E-Bass sehr groovigen, Song “Ich geh heut nicht mehr tanzen” – vom Text her zwar nicht treffend, denn besonders zu diesem Song packen dann doch noch viele Konzertbesucher ihr Rhythmusgefühl aus und bewegen sich passend zum Beat, während Henning May davon singt, dass er heute alleine zuhause bleibt. Denn alleine zuhause geblieben sind die in der Kesselhalle versammelten und inzwischen applaudierenden Menschen definitiv nicht, ganz im Gegenteil – an diesem Mittwochabend wurde zusammen getanzt, gelacht, gesungen, geliebt und gefühlt.
Wer auch gerne zusammen mit AnnenMayKantereit tanzen, lachen, singen, lieben und fühlen will, hat 2020 auf der großen Tour die Chance dazu. Auch wenn die Atmoshphäre in der ÖVB-Arena nicht die selbe sein wird, wie im deutlich kleinerem Schlachthof, sollte man sich diese Band trotzdem nicht entgehen lassen!
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Beitragsbild: (c) Martin Lamberti