In Kreisen drehend

Das Schlagzeug setzt ein und ich finde mich auf einem dreckigen Wohnzimmerboden wieder. Seit Wochen dreht sich alles in Kreisen und wir sind mittendrin. Der Soundtrack zu meiner Verzweiflung heißt Push & Pull. Verfasst von Apart From Us. Nach und nach setzen die Instrumente ein, ich werfe einen Blick auf das mich umgebende Mobiliar. Auf den Ohren Musik, vor den Augen die Spuren unseres Daseins. Die anfängliche Gemütlichkeit wurde ersetzt durch verblassende Sesselgarnituren, bräunliche Pflanzen und dauerhaft zugezogene Vorhänge. Das einzige Licht spendet eine hoch lodernde Kerze. Die Flamme verschwimmt vor meinem Auge und setzt sich wieder neu zusammen. Fasziniert mich auf ihre eigene Art und Weise. Ich habe immer noch keine Ahnung, wie unser gemeinsame Traum so eine Richtung annehmen konnte. Aufräumen und das Klare wiederfinden ist das Einzige, was ich gerade will. Aber das schafft immer wieder neue Konfliktpotenziale und denen will ich eigentlich aus dem Weg gehen. Meine Glieder sind vom vielen Streiten ganz müde. Mein Bestes habe ich schon immer gegeben und für mich ist es unverständlich, warum die Spannungskurve sich in einem Kreis voller ermüdender Auswegslosigkeit geschlossen hat.

„I’ve got one last confession, before you judge everything that I am. I’ve been wasting sleep on wasted days and tired nights, to try to do things right this time“

Apart From Us bezeichnen sich selbst als Pop-Punk Band aus Frankfurt am Main. Mit einer sehr energiegeladenen Note, strahlender Freude und eingängigen Texten. Jeder ist irgendwie in alles verwickelt; der DIY-Charakter der Band steckt an. Sowohl Lyrics als auch Cover Design kommen aus der Feder von Chris Bedrow, Bassist und Sänger in der Band. Auch Jens Deutschländer, der auf der Bühne immer eine Hand frei für Publikumsinteraktionen hat, ist verantwortlich für die Lyrics, die hauptsächlich aus seinem Mund strömen. Federnde Drumbeats liefert Valentin Koch. Aus der Gitarre von Marcel Greb dringen mitreißende Riffs an die Öffentlichkeit, die das Quartett vervollständigen. Den DIY-Charakter verstärkt Marcel’s Mitarbeit an Kamera und Schnitt an dem ebenfalls erscheinenden Musikvideo.

„So hear me now and let me know, take a breath and let it go.“

Erst auf dem zweiten Blick fällt auf, dass Push & Pull doch nicht so euphorisch ist, wie es den Anschein macht. Besonders der dauerhaft treibende Klangcharakter und das schnelle Tempo des Songs lassen fälschlicherweise darauf schließen, dass es sich hierbei um eine weitere, herkömmliche Pop-Single handeln könnte, verziert mit punkigen Elementen. So auch mein erster Eindruck. Aber dann springt die Zeile „We will burn ourselves at both ends. But what a gorgeous flame we will make“ ins Ohr und wirft den ganzen Eindruck um. Ihm trauere ich nicht hinterher. Ich brauchte ein paar Anläufe, um aus der Single den Punk herauszuhören, mit Verzierungen aus der Populärmusik. Aber dann spricht der Song immer mehr an – und zwar nicht nur Oberflächliches, sondern auch das Gefühlswesen.

„We are pushing and pulling, running in circles all again. Stuck in silent conversations, I’m all out of patience.“

Versteckt sich doch eine geballte Ladung an Frustration und Wut in dem Song, verliert er seinen hoffnungsvollen Charakter nicht. Auch wenn lyrisch der Teufelskreis nicht zu schließen vermag, wird musikalisch, tief im Herzen, eine Lösung gefunden. Die nicht im Ansatz so ernüchternd ist, wie der Text es vermuten mag. Dass seinen Gefühlen freien Lauf lassen wie Balsam auf der Seele sein kann, zeigen Apart From Us. Bei Push & Pull handelt es sich nicht um eine weitere Balade über das Auseinanderleben. Kontrastrierend wird gezeigt, wie man Konfrontationen auch in treibenden, peitschenden Grooves und Riffs verpacken kann. Dunkle Melodien mischen sich mit den hoffnungsvollen Schlägen des Herzens. Mal schneller, mal langsamer, doch stets pochend. Auch wenn alles verstrickt zu sein scheint, das Herz schlägt weiter. Weiterschlagen ist hier wohl auch ein entscheidendes Stichwort – „We will give this everything we’ve got“ – Aufgeben? Nein danke. Das kann man oft genug im Leben. Stattdessen ermutigt Push & Pull zum Weitermachen. Auch, wenn es gefangen in der sich immer schneller drehenden Routine schwer fällt. Wie der letzte Ast, an dem man sich in einer gefährlichen Stromschnelle fest hält. Wie der letzte Hinweis, wegen dem man letztendlich doch noch weiter sucht. Weil man die Hoffnung eben doch noch nicht verloren hat. Die sich durch den ganzen Song zerrt und für den ersten euphorischen Eindruck sorgt. Nach dem zweiten Refrain – so mittendrin wie nur möglich – dann ein unerwartetes Instrumental. Die instrumentale Begleitung steht im Mittelpunkt, springt so funkensprühend wie noch nie wahrgenommen in das Ohr des Hörers. Mein Herz macht gleichzeitig mit Jens‘ Stimme einen Sprung, bevor der kurze Ausreißer im Refrain endet. Dem sich jeder auf Spotify, Deezer, Apple und Amazon Music annehmen kann.

„Until the ringing in our ears drowns off the voices in our heads.“