Orientierungslos vor den Abzweigungen Richtung Zukunft

Die Tür quietscht leise, als sie aufschwingt. Die Luft ist voll mit Linoleum und Resignation. Der letzte Schritt in das alte Schulgebäude ist Monate her, fühlt sich aber immer noch merkwürdig vertraut an. So als hätte man nie aufgehört, tagein und tagaus Spuren zu hinterlassen. Die hohen Wände, die grellen Lichter, die defekten Schilder – alles scheint noch genauso, wie es hinterlassen wurde. Unmerklich schleicht sich da aber noch ein anderes Gefühl in die Nostalgie, in die Erinnerung an die letzten Schultage – die Gewissheit, dass dieser Lebensabschnitt endgültig vorbei ist. Dass die Spuren auch von jeder anderen Person hinterlassen sein könnten. Dass man nach Abholen der letzten Dokumente sich immer weiter von dem Ort entfernen wird, der wohl nie widersprüchlicher zwischen Hass und Liebe stand als je ein anderer. Dass sich eben doch etwas geändert hat – es sind nicht mehr die gleichen vertrauten Gesichter, die lächelnd zuwinken und die Tasche von der Bank nehmen, um Platz zu machen. Die Schule scheint auf einmal grotesk anonym, gefüllt mit Menschen, die man noch nie zuvor gesehen hat, die die alten Erinnerungen für sich einnehmen und ersetzen wollen mit neuen. Die am alten Stammplatz verächtlich über die heiligen Zeilen kritzeln und nicht verstehen, was der Ort einmal bedeutet hat. Dass er Zuflucht war nach anstrengenden Unterrichtsstunden, aber vor allem Treffpunkt für alle Freunde, mit denen man tapfer den Alltag bestritten hat. Was hier passiert, ist nur zu gut die Gewissheit darüber, dass wir die Zukunft nicht anhalten können und unaufhörlich mit der Zeit immer weiter voranschreiten müssen.

„Dear Feature Me“ fängt dieses Gefühl ein. Hält die Orientierungslosigkeit des 19-Jährigen Düsseldorfers fest, der die Tür zur Schulzeit noch nicht ganz hinter sich schließen kann, aber die Tür mit der unheilvollen Aufschrift „Zukunft“ auch noch nicht ganz öffnen mag. Die neue Single ist dabei so offen, ehrlich und verletzlich, dass die seit 2018 auf Spotify veröffentlichten fünf anderen Songs auf einmal seltsam laut wirken. Ist verfasst als eine Art Brief an sich selber in die Zukunft, gefüllt mit wertvoll konservierten Momentaufnahmen und hoffnungsvoll verpackten Wünschen. Aber vor allem mit der Hoffnung darauf, dass auch in paar Jahrzehnten noch Glück, Freude und Zuversicht einen großen Teil des Lebens einnehmen. Dass die guten Erinnerungen niemals verblassen und sich stattdessen immer weiter füllen, dass neue Freunde das Leben bereichern und vielleicht der Kontakt auch gerade zu denen nicht abbricht, von denen räumliche Distanz trennt. Die Single ist eine Hommage an die Lichtblicke im Strudel des Älterwerdens, die beweisen, dass das Leben nicht nur als Kind lebenswert ist. Sondern, dass auch die neuen Türen jede Menge Überraschungen bereithalten und keineswegs die in der Erinnerung blühende Vergangenheit aussperren wollen. Und so finden die zärtlichen und zurückhaltenden Zeilen auch im Refrain ihren kleinen Höhepunkt, eben jenen Lichtblick, auf dem die leisen Gitarrenmelodien und das leise hallende Echo des Gesangs aufbauen. Auf TikTok bewirbt Pablo den Song mit dem energievollen Refrain zum auf-volle-Lautstärke-drehen-und-im-Auto-schreien – zum Sorgen vergessen, zum frei sein inmitten von Verpflichtungen und dazu, sich nicht vor Neuem zu verstecken und die Veränderungen mit einem lässigen Schulterzucken hinzunehmen. Denn die Zeit macht ja eh mit uns, was sie will.

„Hope you still dance around at night / crying, running, falling, laughing / just don’t close your eyes“

Beitragsbild: (c) Nils Ladewig (@nilawig)

Weiter geht es bei Pablo Brooks am 26. November mit seiner Debüt-EP „Not Like The Movies“ und direkt danach auf die erste Solo-Tour durch die Clubs der Republik.

30.11. Hamburg – Häkken
01.12. Rostock – M.A.U. Club 
02.12. Dresden – GrooveStation 
03.12. Frankfurt – Ponyhof
04.12. Heidelberg – Karlstorbahnhof 
07.12. Essen – Zeche Carl
08.12. Düsseldorf – The Tube
– wird fortgesetzt –